Interview mit Michael Eichmann von Stratasys

Im Gespräch mit Stratasys: „Unsere Anlagen stehen bereits auf US-Flugzeugträgern“

3D-Drucker vom Weltmarktführer Stratasys stehen sogar auf amerikanischen Flugzeugträgern. Im Interview verrät Manager Michael Eichmann, welches Potenzial er für die additive Fertigung im maritimen Bereich sieht und an welchen konkreten Projekten sein Unternehmen bereits arbeitet. 

 

Michael Eichmann von Stratasys erläutert, welche ehrgeizigen Pläne der führende Hersteller für 3D-Druck-Anlagen und -Materialien in der Aerospace-Branche für die maritime Wirtschaft hat und was er sich von der Zusammenarbeit im MN3D-Netzwerk verspricht. 

Herr Eichmann, Stratasys entwickelt Anlagen und Materialien für den 3D-Druck. Vor allem im Bereich Aerospace gilt Ihr Unternehmen weltweit als Technologie- und Marktführer. Wie weit ist die additive Fertigung heute im Flugzeugbau schon vorgedrungen, und vor welchen Herausforderungen stehen Sie dort?  

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: In einem modernen Airbus A350 werden heute schon rund 1400 Teile verbaut, die aus additiver Fertigung allein aus unserer FDM-Technologie hergestellt werden. Ein Flugzeug ohne Teile aus additiver Fertigung ist kaum noch vorstellbar. Wir liefern den Lieferanten der Flugzeughersteller die Anlagen und die Materialien, mit denen diese Teile gefertigt werden. Die Materialanforderungen in der Luftfahrt sind bei den Themen Brandschutz, Entflammbarkeit, Verrauchung oder Toxizität sehr hoch. Das ist die Herausforderung. Auch Gewicht spielt eine große Rolle. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel Budget investiert und beispielsweise mit unserem Material Ultem einen Hochleistungskunststoff entwickelt, der diese Anforderungen perfekt erfüllt. Das war ein großer Wurf: Ultem und seine Derivate kommen heute praktisch überall in der Luftfahrt zur Herstellung von Serienteilen zum Einsatz.  

Nun haben Sie die maritime Branche für sich entdeckt. Was versprechen Sie sich davon?  

Wir sind immer daran interessiert, neue Märkte zu entwickeln. Vieles aus Aerospace haben wir zum Beispiel später für Railway übernommen. In der maritimen Branche hatten wir bislang schon einige wenige Kunden, meistens Komponentenhersteller. Aber wir haben uns bis vor Kurzem noch nicht strategisch um das Thema Schiffbau gekümmert. Das ändern wir gerade. Wir reden jetzt verstärkt direkt mit den Werften, Designern und Konstrukteuren, um zu erfahren, welche besonderen Anforderungen die haben. Brandschutz beispielsweise ist auch im Schiffbau ein sehr großes Thema.  

Welche Potenziale sehen Sie? 

Potenzial sehe ich vor allem in der Produktion von Teilen in Kleinserie. Typischerweise reden wir in der additiven Fertigung von Größenordnungen bis zu 5000. Bei kleinen Serien lohnt es sich oft nicht, eigens ein Werkzeug herzustellen. Das gilt beispielsweise für Steckdosen für ein Kreuzfahrtschiff. Für einen solchen Fall bietet die additive Fertigung große Vorteile. Voraussetzung ist allerdings, dass ich die richtigen Materialien zur Verfügung habe, denn auf See gelten hohe und besondere Ansprüche.   

Stehen diese Materialien für den Schiffbau schon zur Verfügung? 

Wir sind da mittlerweile schon sehr aktiv und arbeiten beispielsweise mit dem Fraunhofer-Institut bei der Analyse und Zertifizierung von Materialien zusammen. Die Zusammenarbeit ist äußert fruchtbar, und wir können als Ergebnis mittlerweile einige Materialien für unterschiedliche Lösungen anbieten, die von einem Schiffbaulabor zertifiziert und somit für den Endanwender sicher einsetzbar sind. Diese Zertifizierung ist äußerst wichtig, wenn es um Gewährleistungen geht oder auch einfach nur darum, die Tauglichkeit und Betriebssicherheit für maritime Zwecke nachzuweisen.   

Wo ist der konkrete Einsatz von 3D-Druck aus Ihrer Sicht besonders sinnvoll?  

Ein enormes Potenzial bietet beispielsweise die Ersatzteilversorgung. Auch hier lohnt ein Blick in andere Branchen: Ein großer Hausgerätehersteller beispielsweise bietet heute schon einen digitalen Ersatzeilkatalog an. Mit den Daten können im 3D-Druck dann genau die benötigten Teile angefertigt werden, theoretisch an jedem Ort der Welt. So etwas ist nicht zuletzt für die weltweit operierende Marine interessant. Nicht ohne Grund stehen einige unserer professionellen FDM-Anlagen heute bereits auf Flugzeugträgern der US Navy.   

Wo lohnt 3D Druck noch?  

Überall, wo individuelle Lösungen gefragt sind. Für Superyachten kann man mit unseren Anlagen und Materialien sehr schöne Lösungen finden. Eine deutsche Werft verbaut beispielsweise additiv gefertigte Interieur-Teile. Das 3D-Druckverfahren erlaubt, hier eine wabenartige Konstruktion zu verwenden, die sehr leicht ist. Auf die Außenhaut wird dann edles Mahagoni appliziert – das ist funktionell und elegant. Auch bei Rennyachten ist geringes Gewicht ein großes Thema – deswegen haben wir uns auch im America’s Cup engagiert.   

Leichtbau wird auch im Schiffbau verstärkt entdeckt. Lange war das kein Thema, aber angesichts steigender Energiepreise und dem Zwang, Emissionen reduzieren zu müssen, nimmt das stark an Fahrt auf. Als grobe Faustformel kann man sagen, dass dort, wo additiv gefertigte, bionisch konstruierte Komponenten aus zum Beispiel Titan eingesetzt werden, bis zu 60 Prozent Gewicht eingespart werden können. In der Luftfahrt ist das daher schon lange ein Riesenthema. Dort gilt: Wenn Sie das Gewicht eines Airbus A320 um eine Tonne reduzieren, sparen sie über die normalerweise kalkulierte 30jährige Lebenszeit des Flugzeugs Kerosin im Wert von fast 300 Millionen US-Dollar ein. Und natürlich die entsprechenden Emissionen. Ein Schiff muss nicht fliegen, aber auch in der maritimen Branche sind die Einsparpotenziale durch Leichtbau gewaltig.  

Wo liegen denn die Grenzen des maritimen 3D-Drucks. Werden wir in absehbarer Zeit Propeller für große Containerschiffe additiv fertigen?  

Technisch dürfte das möglich sein, aber es macht angesichts der Bauteilgröße wahrscheinlich keinen Sinn. Der Metallguss dürfte hier auf absehbare Zeit überlegen bleiben. Interessanterweise werden aber die Gussformen teilweise schon 3D-gefertigt. 

Was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit im Maritimen 3D-Netzwerk (mn3d)?  

Stratasys mag seit über 30 Jahren ein sehr bekanntes und erfolgreiches Unternehmen in der additiven Fertigung sein, aber auch wir haben in speziellen Branchen wie z.B. dem Schiffbau die spezifischen Anforderungen kennen zu lernen. Wir liefern Anlagen und Material, aber wir entwickeln und stellen keine Schiffe her. Von daher macht es einfach Sinn, die Spezialisten kennenzulernen, Knowhow auszutauschen und in Projekten zusammenzuarbeiten.  Das Maritime Cluster Norddeutschland und das MN3D-Netzwerk bieten dafür hervorragende Plattformen. Mit unseren eigenen Erfahrungen aus Aerospace & Railway haben wir auch viel zur Diskussion beizutragen. Ich finde es zudem spannend, dass auch Unternehmen aus anderen Branchen, beispielsweise Daimler Truck als Nutzfahrzeughersteller, dabei sind. Deswegen versprechen wir uns auch sehr viel von unserem zweiten 3D-Druck Fachforum, das am 19. September in Hamburg stattfindet. Ein großes Thema werden dort auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sein. Da gibt es viele offene Fragen, beispielsweise beim Datenschutz und beim Urheberecht. Ich darf beispielsweise nicht ohne Weiteres ein Bauteil scannen, additiv fertigen und dann einbauen. Mit solchen Fragen muss nicht nur die maritime Branche sich beschäftigen. Das wird spannend! 

Diplom-Ingenieur Michael Eichmann ist seit 2016 als Director Business Development EMEA für die Geschäftsentwicklung des an der NASDAQ gelisteten israelischen Unternehmens Stratasys in der Region Deutschland, Österreich, Schweiz verantwortlich. Zuvor hatte er mit seinem eigenen Unternehmen RTC, das er 2015 an Stratasys verkaufte, den Vertrieb in Europa aufgebaut. Seine Schwerpunkte lagen dabei vor allem auf den Branchen Aerospace und Automotive. Nun kommt die maritime Branche als strategisches Geschäftsfeld hinzu.

Bildrechte: Stratasys GmbH

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